Nachruf - Helmut Feldmann

22.08.2023

Am 10.August 2023 hat Helmut Feldmann von seinem Recht auf einen selbstbestimmten Tod Gebrauch gemacht und ist im Alter von 77 Jahren für immer gegangen.

Viele Jahre litt er an der unheilbaren COPD-Lungenkrankheit mit qualvoller Luftnot und unsäglichen Schmerzen, die eine Lebensqualität nicht mehr zuließen.

Er kannte den Tod, der ihm drohte. Er hatte ihn bei seiner Schwester und seinem Vater beobachten können, die an dieser Lungenkrankheit qualvoll erstickt sind. So wollte er nicht enden und so begann sein Kampf 2015, als der Bundestag den Paragrafen 217 des StGB neu fasste und die Sterbehilfe damit weitgehend verbot. Er schloss sich der Beschwerde des Sterbehilfevereins Deutschland beim Bundesverfassungsgericht an. “Ich möchte mir von der Politik nicht diktieren lassen, wie ich zu sterben habe“, so Helmut Feldmann in seinen zahlreichen Interviews.

Als Mitkläger erwirkte er im Frühjahr 2020 vor dem BVG in Karlsruhe das Urteil auf ein Sterbehilferecht, den eigenen Tod selbstbestimmt und in Würde zu wählen. Der BVG kippte das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Nun war der Gesetzgeber in Berlin gefordert, ein Ausführungsgesetz zu beschließen. Mehrere Sterbehilfevereine, Palliativmediziner und Einzelpersonen waren sehr erleichtert, denn nun hatte das höchste deutsche Gericht in ihrem Sinne entschieden, dass das Sterbehilfeverbot nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Helmut Feldmann kämpfte nun weiter für ein Ausführungsgesetz, erhielt unterstützende Schreiben vieler prominenter Politiker, darunter Karl Lauterbach, Rolf Mützenich, Helge Lindh, Nina Scheer und zuletzt auch Bärbel Bas. Er hatte Mediziner und Rechtsanwälte an seiner Seite. Zuletzt kamen drei Vorlagen im Bundestag zur Lesung. Die Corona-Pandemie hatte das anhängige Gesetzgebungsverfahren und die Beratungen verzögert.

Seit dem Karlsruher Urteil war Helmut Feldmann bei vielen TV-und Radiosendern sowie in der bundesdeutschen Presse ein gefragter Interviewpartner. Von vielen Leidensgenossen bekam er aus der ganzen Republik Dankesschreiben und Unterstützungsbekundungen.

Auch die Bundesärztekammer teilte ihm in einem Schreiben mit, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten auch für die Ärzteschaft von großer Bedeutung sei. Daher ist in der Berufsordnung klargestellt, dass jede medizinische Behandlung unter Wahrung der Menschenwürde und unter Achtung der Persönlichkeit, des Willens und der Rechte der Patientinnen und Patienten, insbesonders des Selbstbestimmunghsrechts, zu erfolgen hat.

In den Leitlinien des AWO-Bundesverbandes heißt es zu Regelungen zur Suizid-Beilhilfe: Die AWO erachtet es als grundlegend notwendig, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die geeignet sind, Menschen ein selbstbestimmtes, nach eigenen Vorstellungen gestaltetes Leben zu ermöglichen. Die AWO tritt dafür ein, Menschen ein würdevolles Leben und Sterben ohne Suizid zu gewährleisten. Gleichzeitig achtet die AWO die Selbstbestimmung des Menschen über sein Leben und sein Sterben als grundlegenden Wert. Dies bedeute, dass die Entscheidung eines Menschen, als letztes Mittel auch die Option zu akzeptieren, ein tödliches Medikament für den Notfall zur Verfügung zu haben. In einem solchen Fall wird die AWO einen Menschen in der Umsetzung seines Rechtes begleiten.

Helmut Feldmann befürwortete auch die Haltungen, um die Sorgfaltspflicht gültiger und rechtssicherer persönlicher Entscheidungen suizidwilliger Menschen zu gewährleisten, dass es einer spezifischen Beratungs-und Begleitstruktur bedarf. In diesem Sinne hatte er sich einem Hamburger Sterbehilfeverein angeschlossen.

Helmut Feldmann begann vor einigen Jahren mit dem Journalisten Klaus Belz eine Autobiographie zu schreiben. „Mein Lebensweg – vom Saulus zum Paulus“ ( Verlag Tredition ) Vor drei Jahren erschien seine ( fast ) unglaubliche Autobiographie, in der er schonungslos offen über sein Leben berichtet, mit Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit und aufgrund verschiedener Strafttaten im Zusammenhang mit seiner Sucht auch Gefängnisstrafen.

Sein Buch erzählt aber auch die Wendepunkte in seinem Leben ab Ende der 70iger Jahre, als er sich dem Reichsbund heute Sozialverband anschloss und insbesonders ab Mitte der 90iger Jahre, als Helmut Feldmann Mitglied der AWO Körne wurde und fast im gleichen Zuge den Vorsitz des Ortsvereins von Herbert Bojarra übernahm. Gemeinsam mit seiner geliebten Ehefrau Erika engagierte er sich ab 1995 in der AWO und in der SPD in Körne/Wambel und darüber hinaus.

Es sei noch bemerkt, das sich Helmut Feldmann schon in den 80iger Jahren im Sozialverband und als Sprecher der Selbsthilfegruppen unter dem Dach des Paritätischen Verbandes vehement für ein „Gesundheitshaus“ der Selbsthilfegruppen einsetzte. Das machte ihn, wie er in seinem Buch schreibt, in Dortmund sehr bekannt und so fand er dann auch in seiner AWO eine neue Erfüllung, Hilfsbedürftigen, Kranken, Pflegebedürftigen und benachteiligten Menschen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Er war auch - mit örtlichen Kommunalpolitikern im Rat und Bezirksvertretung, um mit Udo Dammer und Heinz-Dieter Düdder nur zwei Namen zu nennen - der Motor der ( Senioren) Begegnungsstätte an der Akazienstraße in Körne/Wambel, die seit 1994 in Trägerschaft der AWO betrieben wird. Gemeinsam mit einem engagierten Team stieß er viel Neues an, ohne auf die altbewährten Angebote zu verzichten. Er fand viele neue Freunde durch seine ehrenamtliche und bürgerschaftliche Arbeit, es war, wie er schreibt, auch eine Therapie für ihn selbst.

In Gesprächen machte er deutlich, dass er in seinem Leben und in der Gesellschaft etwas gutzumachen habe, weil er in jungen Jahren auf falsche Gleise geraten war. Sein soziales ehrenamtliches Engagement half ihm, neue Lebensziele zu erreichen.

In den 2000er Jahren bis 2012 war Helmut auch Mitglied des Dortmunder AWO Unterbezirkvorstandes, lange Jahre auch stellvertretender Vorsitzender und Fachausschussvorsitzender für eine große dreijährige Mitgliederwerbekampagne von Anfang 2005 bis Ende 2007. Seinerzeit waren Helmut Feldmann und ich – hauptamtlich für den Bereich der Verband-und Öffentlichkeitsarbeit - mit vielen Mitstreiterinnen sehr erfolgreich, und so will ich es an dieser Stelle nicht versäumen zu berichten, dass Helmut Feldmann auf Bezirksebene Westliches Westfalen mit 131 neuen Mitgliedern im Kampagnenzeitraum der beste Werber war. Mit vielen neuen Mitgliedern kamen auch neue ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zum Verband. Für seine besonderen Verdienste in der AWO vor Ort, beim Unterbezirk und für sein bürgerschaftliches Engagement wurde Helmut Feldmann mit der AWO-Verdienstmedaille ausgezeichnet.

Es kam der Zeitpunkt, als Helmut Feldmann nach über 21 Jahren seine verbandlichen und öffentlichen Funktionen niederlegen musste, da seine Erkrankungen diese nicht mehr zuließen. 2017 zog er nach Marl in eine betreute Wohnanlage der AWO, auch um in der Nähe seiner Tochter zu sein, die in Marl in der Altenpflege tätig ist. Mittlerweile war seine um einige Jahre ältere Ehefrau hochgradig an Demenz erkrankt. Sie wird heute noch in Marl in einem AWO-Seniorenzentrum versorgt und gepflegt

Trotz seiner Lungenkrankheit versuchte er auch in Marl in seiner AWO oder im kommunalen Seniorenbeirat Halt in der ehrenamtlichen Arbeit zu finden und auch weiterhin anderen Hilfe-und Ratsuchenden zur Seite zu stehen. Zu den Dortmunder Freunden pflegte er natürlich weiterhin Kontakte, sie besuchten ihn an seinem neuen Wohnort. Freundschaft hatte für Helmut Feldmann immer eine ganz besondere Bedeutung.

Sein Thema „Sterbehilfe“ konnten in den letzten Jahren auch nicht die in einem Auf und Ab auftretenden leidvollen und quälenden Seiten der COPD-Erkrankung zum Erliegen bringen. Vielmehr fühlte er sich vielen Leidensgenossen verpflichtet, alles zu tun, damit mit der Sterbehilfe ein selbstbestimmter Tod in Würde und frei von Qualen gewählt werden kann.

Helmut Feldmann war in den letzten Monaten verbittert und enttäuscht, dass der Bundestag vor der Sommerpause diesen Jahres sich nicht zu einem Ausführungsgesetz durchgerungen hat. Er wollte mit einer Klage vor dem EU-Gerichtshof nun erreichen, dass dem Bundestag die Erfüllung seiner Pflicht im Sinne des BVG-Urteils auferlegt wird. Das bundesweite mediale Interesse war ungebrochen und er ließ es auch zu, trotz aller Strapazen, um sein Ziel für sich und andere zu erreichen.

In jüngster Zeit verschlechterte sich sein Gesundheitszustand. Er hatte für sich entschieden, wie er gehen wolle. Sein todbringendes Medikament hatte er schon zu Hause. Im Beisein eines/ einer Vertreterin des Hamburger Sterbehilfevereins wurde von einem Arzt seines Vertrauen die Kanüle gesetzt. Nur seine Tochter hält ihm die Hand, während er selbst den Schalter betätigt und friedlich einschläft.

Am Morgen des 10. August 2023 informierte mich Helmut Feldmann, dass er sich nun entschieden habe, „heute nachmittag“ zu gehen und der Tag des Abschiedes gekommen sei. Seine Luftnot und seine Schmerzen waren unerträglich geworden. Seine Lungenwerte, die er zuvor vom Krankenhaus erhalten hatte, waren niederschmetternd.

Im letzten Telefongespräch am Mittag nahmen wir Abschied. Seine Stimme war fest und klang wie befreit. Er bat mich alle AWO-Freundinnen und Freunde ein letztes Mal zu grüßen und zu ermutigen, weiterhin für die Schwachen und Benachteiligten einzutreten.

Mit großem Dank für die vielen Jahre der Zusammenarbeit bei der AWO in Dortmund und mit hohem Respekt vor der Entscheidung Helmut Feldmanns, selbstbestimmt und in Würde zu gehen, schließe ich meinen Nachruf auf einen ganz besonderen Menschen. Ich hoffe, die richtigen Worte gefunden zu haben.

Eine Marler Journalistin des „Stadtspiegel“, die seit 2019 immer wieder in Kontakt zu Helmut Feldmann war, berichtete, dass sie kurz vor seinem Tod von ihm die Manuskripte für ein weiteres Buch mit der Bitte um Veröffentlichung erhalten hat: Der Titel „Gesucht-Gefunden-Erlebt“.

Und nach seinem Tod berichtete die „Marler Zeitung“, dass die Staatsanwaltschaft eine Obduktion des Leichnams beantragt habe.

Es wird allerhöchste Zeit, dass der Gesetzgeber in Berlin ein Ausführungsgesetz im Sinne des Karlsruher Urteils beschließt und nicht zuletzt im Sinne von Helmut Feldmann und vielen Leidgeprüften, die sich in der gleichen Lage befinden.

Georg Deventer

 

 

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